Das ehemalige KZ-Außenlager Walldorf

Zur Lage in Ungarn 1944


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Die Lage der jüdischen Bevölkerung Ungarns wurde im Wesentlichen von den Beziehungen der ungarischen Regierung zum Deutschen Reich und dem Verlauf des 2. Weltkriegs bestimmt.

Bereits vor Beginn des 2. Weltkriegs erließ die ungarische Regierung unter Reichsverweser Miklós Horthy antisemitische Gesetze. So wurde insbesondere mit zwei sog. Restriktionsgesetzen (1938 und 1939) die Ausgrenzung von Juden fortgeführt, die bereits 1920 unter Ministerpräsident Pál Teleki mit dem Numerus-Clausus-Gesetz begonnen hatte. Ihr Anteil in der Wirtschaft und in den freien Berufen wurde zunächst auf 20 und schließlich auf sechs Prozent beschränkt; außerdem waren Enteignungen geplant. Seit 1939/40 wurden Juden gezwungen, als Hilfskräfte des Arbeitsdienstes (Munkaszolgalat) Zwangsarbeit zu leisten. Das 3. Restriktionsgesetz von 1941 führte weitere Beschränkungen ein und orientierte sich an den Nürnberger Gesetzen.

Über diese Zeit berichtete Klára M., eine der nach Walldorf verschleppten Frauen: "In meiner Kindheit ... gehörten wir zur Tschechoslowakei, ab 1938 zu Ungarn. Von da an wurde für uns das Leben immer schwerer. Mein Vater war Eisenwarenhändler; sein Geschäft wurde beschlagnahmt. Wir haben nie viel Geld gehabt, aber jetzt hatten wir gar nichts mehr." [Quelle: Zitiert in: "Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung ...". Ein Begleitheft zum historischen Lehrpfad am ehemaligen KZ-Außenlager Walldorf. Hrsg. v. Magistrat der Stadt Mörfelden-Walldorf. Mörfelden-Walldorf 2000, S. 18]

Außenpolitisch hatte sich Ungarn durch den Beitritt zum 'Dreimächtepakt' im November 1940, seine Teilnahme an der Besetzung Jugoslawiens im April 1941 und am Krieg gegen die Sowjetunion der Hegemonialmacht Deutschland angeschlossen.

Bis zum Einmarsch deutscher Truppen am 19. März 1944 beteiligte sich der ungarische Staat nicht an den von Deutschland durchgeführten Vernichtungsprogrammen; ungarische Militär- bzw. Polizeikräfte waren allerdings 1942 beim zweiten der beiden Massaker bei Kamenez-Podolski und Novi Sad beteiligt.

Mit dem Vorrücken der sowjetisch-alliierten Truppen änderte sich die Lage der jüdischen Bevölkerung auf ungarischem Staatsgebiet dramatisch. Da die ungarische Regierung zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte, das Bündnis mit den Achsenmächten zu lösen, wurde auf deutschen Druck eine neue Regierung gebildet. "Dieses ermöglichte den Eintritt von Leuten in das Kabinett, welche die totale Ausrottung von Juden billigen und den Deutschen aktiv jede Hilfe geben." [Quelle: Aus einem Bericht Raoul Wallenbergs vom 17.7.1944. Zitiert in: Wallenberg. S. 50f sowie unter www.raoul-wallenberg.de]

Anschließend begannen sofort die Vorbereitungen, um die letzte größere jüdische Gemeinschaft Zentraleuropas zu vernichten. Die Leitung übernahm das deutsche Sonderkommando unter Eichmann. Ziel war es, die gesamte jüdische Bevölkerung in die Vernichtungslager zu deportieren.

Zuvor erließ der ungarische Staat noch eine große Anzahl antijüdischer Gesetze und Verordnungen. Auf deren Grundlage wurden unter anderem Bankguthaben gesperrt, Wertgegenstände beschlagnahmt und über 600.000 Morgen Ackerland enteignet. Das Ernährungsministerium ordnete darüber hinaus an, Juden nicht mehr mit Butter, Eiern, Paprika, Reis und Mohn zu beliefern. Andere Lebensmittel wurden rationiert und die Einkaufszeiten stark eingeschränkt. Ab dem 29. Mai 1944 durften Nichtjuden nicht mehr in jüdischen Haushalten beschäftigt werden. Mit Wirkung zum 5. April mussten alle Juden ab dem sechsten Lebensjahr einen Judenstern tragen. Hiervon waren bestimmte im 1. Weltkrieg ausgezeichnete Soldaten und Veteranen ausgenommen.

Karte der Zentralen Gettos in Ungarn Um die Deportationen vorzubereiten, teilte Eichmann Ungarn in sechs Zonen ein, ließ die jüdische Bevölkerung zunächst an ihren Heimatorten internieren und von dort aus in Sammellager verbringen. Die Gettos wurden in Wohngebieten, Industrieanlagen und als Lager unter freiem Himmel eingerichtet. Ihre Verwaltung mussten sog. Judenräte übernehmen, bevor nach zwei bis sechs Wochen der Abtransport erfolgte.
Überlebende der nach Walldorf verschleppten Frauen berichteten über diese Zeit:

"Im März 1944 kamen die Deutschen hierher. ... Wir mussten alle ins Getto. ... Es gab am Tag nur eine Stunde, in der wir rausgehen und etwas einkaufen konnten. Überall gab es Wachen; es waren ungarische Gendarmen. Vom Getto aus kamen wir in eine Ziegelei. ... Da hat das Ganze für uns schon angefangen ... Einige haben Selbstmord gemacht." [Quelle: Ibolya, 1997. Zitiert in: "Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung ...". Ein Begleitheft zum historischen Lehrpfad am ehemaligen KZ-Außenlager Walldorf. Hrsg. v. Magistrat der Stadt Mörfelden-Walldorf. Mörfelden-Walldorf 2000, S. 16]

"Zunächst mussten wir ins Getto, von dort nach Buda-Kaláz in die Ziegelei. Das war damals eine Sammelstelle für Juden aus der ganzen Umgebung. Tausende von Menschen waren dort." [Quelle: Isabelle, 1999. Zitiert in: "Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung ...". Ein Begleitheft zum historischen Lehrpfad am ehemaligen KZ-Außenlager Walldorf. Hrsg. v. Magistrat der Stadt Mörfelden-Walldorf. Mörfelden-Walldorf 2000, S. 17]

"In der Ziegelei regnete es, wir wurden nass. Wir hatten kein Dach über dem Kopf. Wir hatten nichts zu essen. ... Die Menschen sind dort gestorben, und niemand hat sich gekümmert. Das war nicht menschenwürdig. Das war noch nicht einmal tierwürdig. Es war viel schlimmer ..." [Quelle: Klara M. Zitiert in:"Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung ...". Ein Begleitheft zum historischen Lehrpfad am ehemaligen KZ-Außenlager Walldorf. Hrsg. v. Magistrat der Stadt Mörfelden-Walldorf. Mörfelden-Walldorf 2000, S. 18]

Die Reihenfolge der Transporte richtete sich nach dem Verlauf der Kriegsfronten, so dass Ende April zunächst die Juden aus Transkarpatien deportiert wurden. Es folgten die Deportationen der Juden aus Nordostungarn, dem vormals rumänischen Gebiet Nordsiebenbürgen und den übrigen Landesteilen. Die Opfer wurden mit Güterzügen, in die jeweils 2000 bis 3000 Personen gepfercht waren, nach Auschwitz gebracht. Diejenigen, die den Transport überlebten, erwartete die Vergasung. Wenige entgingen vorerst diesem Schicksal, indem sie, wie die 1700 Zwangsarbeiterinnen des Lagers Walldorf, für den Arbeitseinsatz selektiert wurden.

Akten aus dem deutschen Außenministerium von 1944 dokumentieren das zielgerichtete Vorgehen der deutschen Behörden.

Nur die Budapester Juden blieben bis zum sog. Putsch der Pfeilkreuzler-Partei am 15. Oktober 1944 von den Deportationen ausgenommen. Ab diesem Zeitpunkt waren sie dem Terror der Pfeilkreuzler ausgesetzt oder wurden als Zwangsarbeiter rekrutiert, die nach Deutschland überstellt werden sollten. Von den zur Zwangsarbeit Rekrutierten starben auf den von Eichmann organisierten Todesmärschen zwischen 250.000 bis 350.000 an Erschöpfung und durch Erfrieren; Kranke wurden ermordet.

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